Zwei Querflöten-Soli simultan, eines vom rechten, eines vom linken Stereokanal – so beginnt der 48-minütige, über die LP-Seiten 3 und 4 verteilte Track „Huchen 55“ auf dem dritten Album „Four Letters Monday Afternoon“ (1972, erschienen beim Kuckuck-Label) von Out Of Focus. Wie gesagt: 48 Minuten und 1972. Das ist eine Minute länger und ein Jahr früher als Mike Oldfields „Tubular Bells“!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Bis auf die Aneinanderreihung verschiedener musikalischer Themen hat „Huchen 55“ stilistisch nichts gemein mit Oldfields Meisterwerk. Out Of Focus waren anglo-amerikanischen geprägt. Die Band ließ leichte psychedelische Einflüsse zu, setzte aber vor allem auch auf jazzige, progressive Elemente und einen Jam-Charakter, der sich in den ausufernden Soli auf Gitarre, Orgel, Flöte und Saxofon zeigte.
Es begann in München, Ende der 60er Jahre, als sich Remigius Drechsler (Gitarre), Hennes Hering (Keyboards), Hans-Georg „Moran“ Neumüller (Flöte, Gesang), Klaus Spöri (Drums) und Stefan Wiheu (Bass) zusammentaten und nach dem Song auf der B-Seite von Blue Cheers erfolgreichster Single „Summertime Blues“ (1968) benannten. Nach dem dritten Album, der ambitionierten und klar dem Jazzrock zugewandten Doppel-LP „Four Letters Monday Afternoon“, fiel die Band auseinander. Viel später folgten noch Veröffentlichungen von Demo-Aufnahmen, Session-Outtakes und ein 1972 mitgeschnittenes Livealbum.
eclipsed: Mit welcher Motivation und Inspiration habt ihr Out Of Focus gegründet?
Hennes Hering: Ab Mitte der 60er Jahre entstanden ganz viele Bands unter dem Einfluss der Beatles, Stones und vielen anderen. Man wollte einfach auch Musik machen und hat es mit Freunden probiert. Gitarre und Grifftabelle kaufen, Schallplatten auflegen und so lange rumprobieren, bis man mitspielen konnte. Out Of Focus wurde unter dem Namen „Movers“ von vier Jungs aus dem Münchener Lehel [Stadtteil in der Nähe der Altstadt] gegründet. Als sie bei einem Beat Wettbewerb im Löwenbräu-Keller den letzten Platz belegten, spielten sie als einzige keine Beatmusik, sondern Stücke von den Doors und anderen. Ich glaube, ich war der einzige, dem das gefallen hat! Anschließend schmissen sie den Rhythmusgitarristen raus. Dafür durfte ich mit der Orgel mitspielen und wir änderten vor dem nächsten Auftritt den Bandnamen.
eclipsed: Woher kamen die Jazzeinflüsse?
Hering: Die kamen spät, eigentlich erst nach der zweiten Platte. Da spielten immer öfter Ingo [Schmidt-Neuhaus] am Saxofon und Jimmy [Polivka] an der Trompete mit, die eigentlich die „Jazzer“ waren.
eclipsed: Habt ihr eher gejammt und improvisiert? Oder war es geplant und komponiert?
Hering: Jede Probe begann eigentlich mit Improvisieren. Da waren dann oft Ideen dabei, aus denen wir dann Stücke gemacht haben. Manchmal kamen auch Moran oder Remi mit einer Idee und wir haben gemeinsam solange dran rumgebastelt, bis es ein Stück war ...