SAMSARA BLUES EXPERIMENT „Wir wollten uns nie verkaufen!“

SAMSARA BLUES EXPERIMENT „Wir wollten uns nie verkaufen!“

Samsara Blues Experiment veröffentlichen im Januar 2021 ihr neues Album „End Of Forever“. Es ist das fünfte Studioalbum des Berliner Trios und es ist sein letztes, denn die Band löst sich auf. Doch noch einmal dürfen Fans den zeitlos schönen Retrorock goutieren.

Schon vor einigen Monaten kündigen es Samsara Blues Experiment auf ihrer offiziellen Website an: „Es ist an der Zeit, sich den Veränderungen und Herausforderungen zu stellen, die vor uns liegen. Als Gemeinschaft von Individuen, die ein Jahrzehnt lang zusammen in Samsara Blues Experiment spielten, werden sich unsere Wege von nun an für eine Weile trennen.“ Christian Peters (Gesang, Gitarre, Keyboards), Thomas Vedder (Drums) und Hans Eiselt (Bass) taten sich 2007 – damals noch als Quartett mit dem Bassisten Richard Behrens – zusammen und spielten auf dem 2010er Debüt „Long Distance Trip“ und den folgenden Alben „Revelation & Mystery“ (2011) sowie „Waiting For The Flood“ (2013) einen Retrorock, der sich Album für Album fortentwickelte, steigerte und auf „One With The Universe“ (2017) und eben dem brandaktuellen „End Of Forever“ schließlich seinen Höhepunkt erreicht. Im Interview beleuchtet Christian Peters nicht nur das neue Album, sondern gibt auch offen und ehrlich Auskunft über die Interna der Band und die Ursachen für die Trennung.

eclipsed: Habt ihr bei der Arbeit am neuen Album schon gewusst, dass danach Schluss mit der Band sein könnte? Wenn ja, wie fühlte sich das an und sollte es „zum Schluss noch mal das Beste“ werden?

Christian Peters: Ja, das war schon irgendwie klar und hat die Arbeit eventuell nicht unter das beste Licht gestellt. Die Aufnahmen waren doch etwas angespannt und liefen eher unter dem Motto: „Lasst uns wenigstens noch die Songs aufnehmen.“ Die Situation in der Band hat sich aus verschiedenen Gründen etwas versteift. Letztlich muss ich sagen, fühlt sich für mich dieser jetzige Abstand von der Band eher befreiend an. Das ist alles irgendwie auch eine sehr komplexe Sache, da hat jetzt niemand allein „Schuld an irgendwas“ und es gab auch nicht unbedingt nur den einen triftigen Grund für diese Entscheidung. Ob das Album das Beste ist, kann ich nicht sagen, für mich ist es eher wieder ein Album, mit dem man halt zufrieden sein kann.

eclipsed: Wie hat sich eure Herangehensweise an das Album gegenüber früheren Alben verändert?

Peters: Es war auf jeden Fall ein sehr konzentriertes Arbeiten. Die anderen beiden Jungs haben sich extrem viele Gedanken zum Rhythmus gemacht. Gut war z.B., dass unser Drummer Thomas mit Metronom eingespielt hat. Sowas haben wir früher als sehr unnötig empfunden, dabei gibt es doch sehr viele Dinge, die man in der „modernen Musikproduktion“ diesem „Retro-Gehabe“ voraushaben kann. Früher waren wir da ja eher puristisch drauf. Man wusste es eventuell aber auch nicht besser.

eclipsed: Natürlich prägen weiter die Gitarren den Sound. Aber die Keyboards, die ihr auf dem Vorgänger „One With The Universe“ eingeführt habt, nehmen hier auch wieder einen ordentlichen Platz sein. „Weniger Sitar, mehr Mellotron“?

Peters: Ich bin irgendwie weg von meinem „Hippie Trip“, zumal ich nie richtig Sitar spielen konnte. Mit Mellotron, Orgel, Synthesizern etc. hat man einfach viel mehr Möglichkeiten Atmosphäre zu schaffen, aber auch die 12-saitige Akustikgitarre hat ja ganz gut zur Klangfärbung dieses Albums beitragen können.

eclipsed: Ihr könnt es etwas sanfter wie in „Lovage Leaves“ oder schneller, härter wie in „Jumbo Mumbo Jumbo“. Wie hast Du es musikalisch am liebsten?  

Peters: Ich liebe Musik vieler Schattierungen und habe halt meine Ideen, was ich gern umsetzen möchte, ob das jetzt härter oder zarter ist. Man ist doch auch nicht immer nur auf einer Grundstimmung im Leben. Mal ist man froh und glücklich, mal launisch und unzufrieden, oder gar wütend oder so. Es sollte alles irgendwie im Gleichgewicht sein, aber letztlich zählt auch der Song an sich.

eclipsed: Wie siehst du das neue Album im Vergleich zu den früheren Alben?

Peters: Ich bin prinzipiell ganz zufrieden. Eventuell ist es ja wirklich unser „bestes Album“. Manche Songs finde ich schon echt stark von der Idee und man ist ja trotzdem auch stolz darauf, was man da geschaffen hat.

eclipsed: Was sind überhaupt die Ursachen, dass ihr mit Samsara Blues Experiment aufhört?

Peters: Da gibt es einige. 13 Jahre in einer Band und Szene, davon zwölf Jahre mit Thomas und Hans. Man verändert sich. Um es aus meinem Standpunkt zu sagen, habe ich mich zu sehr verändert, um weiter glücklich mit dieser Band sein zu können. Ich habe zum Beispiel ja auch vieles in meinem Leben komplett auf diese Band ausgerichtet, habe eigentlich nur noch in Berlin gewohnt, um zweimal pro Woche in den rumpeligen Proberaum gehen zu können. Das konnte so nicht länger funktionieren.

eclipsed: Habt ihr lange darüber diskutiert? Nach Lösungen gesucht?

Peters: Ja natürlich. Ich möchte jetzt auch einfach mal behaupten, dass viele unserer Probleme nicht erst seit ein paar Wochen oder Monaten bestanden und wir im Lauf der Jahre einige Krisen zu bewältigen hatten, aber eventuell ein paar grundlegende Probleme trotzdem immer unter der Oberfläche liegen blieben. So genau weiß ich das immer noch nicht, es ist wahrscheinlich nie einfach, über so eine lange Zeit solche engen Beziehungen zu meistern. Die Menschen verändern sich halt auch, der eine mehr, der andere weniger, aber irgendwie muss man zusammenfinden. Wenn das aber nicht geht oder zu sehr erzwungen wird, muss man getrennter Wege gehen. Das macht dann keinen Sinn, so eine Band muss und soll in erster Linie Spaß machen.

eclipsed: Du lebst jetzt in Brasilien. War das ein Grund für die Auflösung? Wie kam es überhaupt dazu, dass du nach Brasilien gegangen bist?

Peters: Nein, das ist für mich nicht der eigentliche Grund. Ich lebe hier, weil ich hier glücklicher bin als in Berlin, das ich seit Jahren nur als „Kackstadt“ bezeichne. Nun verdanke ich es wohl dem Schicksal oder meiner eher aufgeschlossenen Art, dass meine Frau Brasilianerin ist. Da kommt also eins zum anderen. Hier ist vieles anders und sicher nicht alles besser, aber zu dem jetzigen Zeitpunkt kommt vor allem die brasilianische Mentalität näher an mein persönliches Lebensgefühl als die Deutsche. Man muss nicht vor allem im Leben Angst und Bedenken haben usw. Das fand ich in den letzten Jahren in Berlin schon echt nervig, heute Corona, gestern das Klima oder irgendein anderes „Weltuntergangsszenario“. Damit will ich nicht die Probleme runterspielen, aber die deutsche Mentalität find ich schon sehr ängstlich und vieles ist irgendwie zu verkopft.

eclipsed: In Corona-Zeiten war/ist keine Abschiedstour mehr möglich. Habt ihr noch Abschied feiern können?

Peters: Wir haben uns mit Freunden im Park verabschiedet. Mein Abschied von Berlin war quasi dann auch der Abschied von der Band, wenn auch ich persönlich mir vorstellen konnte, unter anderen Bedingungen auch über zwei Kontinente verteilt weiterhin zusammen Musik zu machen. Andere Bands schaffen das ja auch. Aber egal. Es ist für keinen von uns einfach gewesen, diesen Schritt zu machen, aber ich denke es ist gut und jeder kann alles, die Hoch- und Tiefphasen dieser Band, auch erst noch einmal in Ruhe reflektieren. Es gab trotz allem ja auch mehr als genug, auf das man stolz sein kann, und was alles andere als selbstverständlich ist bei so einer „DIY-Undergroundkapelle“, wie wir es ja trotzdem irgendwie immer waren.

eclipsed: Wenn eine Sache vorbei ist, in die man jahreslang sein Herzblut gesteckt hat, dann geht das nicht spurlos an einem vorbei. Welche Gefühle brodeln da in Dir? Und in den anderen?

Peters: Für mich ist es gut so, wie es ist. Das Leben muss weitergehen und ich kann nicht mehr dort in Berlin auf der Stelle treten und mich fühlen, als würde etwas Essentielleres als dieses Bandleben an mir vorbeiziehen, während ich natürlich wie die meisten Menschen nicht jünger werde. Jeder ist auch traurig über das Ende der Band, klar, aber letztlich denke ich, sehen es alle ähnlich. Im Moment konnte man nichts weiter erzwingen.

eclipsed: Welche Highlights gab es in all den Jahren? Welche Tiefpunkte? Welche entscheidenden Schritte oder Knackpunkte?

Peters: Es gab eigentlich viel mehr Highlights, als es uns eventuell selbst manchmal bewusst ist. Wir sind ja schon zum frühesten Anfang der Band, quasi fast bevor wir selber die Songs richtig spielen konnten (kein Scherz), mit einem selbstgebrannten Demo einmal entlang der kompletten US-Westküste getourt. Wir waren später nochmal in den USA auf den beiden wichtigsten Szenefestivals, waren zweimal auf erfolgreichen Lateinamerika-Touren, waren erfolgreich in Australien und Neuseeland und haben in Europa mit so ziemlich allen irgendwie namhaften Szenebands gespielt. Als wirklichen Tiefpunkt kann man wohl nur unser Unvermögen bezeichnen, dass man sich leider nicht immer dem anderen respektvoll mitteilen kann. Da waren manchmal auch fast schon unnötige Streitereien wegen Befindlichkeiten. Ansonsten haben wir echt krass viel erreicht und das alles ohne Unterstützung irgendwelcher Businessmenschen oder Kacklabel aus dem Metalbereich mit Null Plan von dieser Szene, die uns da irgendwie mit Marketingkohle oder Bookingkontakten hätten helfen können. Wir wollten das nicht. Wir wollten uns nie verkaufen. Darauf bin ich für immer stolz, es aus eigener Kraft so weit gebracht zu haben. Guck einfach mal auf eine Landkarte, weiter weg als Neuseeland kommst du halt nicht. Und dann haben wir da ausverkaufte Gigs gespielt und nicht etwa in einer Fußgängerzone.

eclipsed: Wie du bereits gesagt hast, ist es euch schon in frühen Jahren gelungen, in Übersee – sei es nun die USA oder Australien – Konzerte zu spielen. Wie ist es dazu gekommen?

Peters: Ich habe schon frühzeitig versucht Kontakte aufzubauen. Da muss man halt zwanzig Leute ansprechen, und der einundzwanzigste ist dann der Mann, der dich nach Kalifornien bringt. DIY ist halt nicht der einfachste Weg, aber irgendwie doch der ehrlichere. Anders gesagt: Bands, die mir irgendeine Anzeige als „super authentisch“ verkaufen will, finde ich irgendwie erstmal zum Kotzen.

eclipsed: Wie schwer wog 2014 der Ausstieg von Bassist Richard Behrens, der ja immerhin eure Alben aufgenommen und produziert hatte? Er hat auch das letzte Album aufgenommen und produziert.

Peters: Richard hatte gerade mal einen Song zum Samsara-Backkatalog beigesteuert und war eher wichtig für das Gemeinschaftsgefühl in der Band. Er war eher so der sonnige Gegenpol zu den manchmal zu nachdenklichen Gemütern von Thomas oder Hans und auch mir. Wenn Richard z.B. sagte „hey komm, lass uns jetzt in den USA touren, weil ist geil“, dann hat er damit halt alle überzeugt.

eclipsed: „One With The Universe“ war 2017 im eclipsed das „Album des Monats“. Wie siehst du das Album heute?

Peters: Das ist für den Moment ja eine schöne Ehrung, langfristig betrachtet bedeutet mir das letztendlich aber eher wenig. Ich meine, selbst wenn du mir heute sagst, das Album wäre unter den TOP 10 aller Zeiten für dich, keine Ahnung ... ein Musiker macht die Musik, weil er sie in sich hat und sie raus muss. Was andere Leute dann damit anfangen, kann man weder steuern noch langfristig irgendwie für sich selbst verwerten. Es ist sicher schön, bemerkt zu werden, aber ich kann dir sagen, da gibt es so viel tolle Musik da draußen, die kaum jemand kennt und auch nie kennen wird, weil die meisten Leute halt trotzdem lieber zum zwölftausendsten Mal nochmal etwas vom „Wundergitarristen“ Jimi Hendrix oder anderen „Rockgöttern“ lesen wollen. Ansonsten finde ich das Album wie alle Samsara-Alben ganz okay, ich selber höre mir das aber eigentlich nicht an.

eclipsed: Als Sänger, Texter, Gitarrist und Keyboarder in Personalunion: Warst du der Chef im Ring?

Peters: Prinzipiell wohl ja, leider habe ich es nie gelernt, da den Ausgleich zwischen Hauptsongwriter, (Quasi-) Manager und Labelinhaber, und eben „normalem“ Bandkollegen zu finden. Mir fehlt es manchmal auch an Empathie, mich in die Gemüter meiner Leute reinzuversetzen. Das wäre wohl mein größter Fehler in dem Sinne. Es war manchmal echt nicht leicht, aber du gehst ja sicher auch nicht zu deinem Chef und zweifelst immer öfter seine Entscheidungen an, oder? Wie sollte man das also lösen? Aufgaben abgeben, nachdem es mehr als zehn Jahre wirklich supergut gelaufen ist? Wir haben nicht selten gescherzt, dass ein Bandpsychiater wie bei Metallica vielleicht sinnvoll gewesen wäre. Ich erkenne Hans und Thomas natürlich sehr an, dass wir eigentlich trotz allem immer irgendwie an einem Strang gezogen haben, nur – wie gesagt – der Strang wurde immer länger auf meinem Ende. Und nicht jeder konnte meine Veränderungen mitmachen, auch was das Musikalische betrifft. Ich brauche halt keine supertiefgelegte Fuzzgitarre mehr, unter der dann ein noch tieferer Fuzzbass liegt. Ich finde das eher nur noch langweilig.

eclipsed: Du hast mit Electric Magic Records ein eigenes Label gegründet. Wie kam es dazu?

Peters: Mal als kleine Rechnung: ein normaler Deal zwischen Band und Label bringt den meisten aller Bands in etwa zwischen 10-20% der Nettoeinnahmen der mittlerweile eh ja nur sehr geringen Auflagen von Tonträgern. Das, was ein Label für diesen Riesen-Mehranteil von 80% macht, ist meines Erachtens in 2020 völlig redundant. Es sei denn, du hast ein Mainstreamprodukt und weißt, dass du wenigstens so ab 10.000 Tonträger an den Fan bringst. Unsere Auflagen sind so klein, dass es einfach keinen Sinn macht, sich derart zu verkaufen. Selbst unser absoluter Bestseller „Long Distance Trip“ liegt ja prinzipiell noch unter der Grenze, wo solche uralten Musikbusiness-Deals überhaupt noch Sinn machen. Was soll ich mir denn aber z.B. von einer schönen Rezension oder einem Musikvideo kaufen? Musiklabel schmücken sich ja gern mit dem Spruch: „Wir machen dann schön Promo für euch.“ Dazu kommt, dass der absolute Großteil der Einnahmen der meisten Bands – vor allem, wenn sie nicht viel touren – im digitalen Geschäft liegt, wo jeder, der halbwegs einen Computer bedienen kann, mit ein paar Mausklicks das Album fertig veröffentlicht, weltweit vertrieben und im besten Fall sogar beworben hat. Da sollte man nicht faul sein.

eclipsed: Du hast nebenbei ja schon Solowerke als Surya Kris Peters gemacht. War das ein zweites Standbein, das Du jetzt weiterführst?

Peters: Ich mache da weiter, klar. Das mit Surya Kris macht mir halt zu 100% nur Spaß und ich höre mir das auch sehr gern an. Leider ist das ganz anders bei Samsara, wo manchmal nicht nur einige der „Verwaltungstätigkeiten“ mehr waren als der Spaß am Musik machen, sondern wo ich dann immer nach Fertigstellung eines Albums noch zu viele Sachen finde, die man in der kurzen Studiozeit nicht besser lösen konnte. Jetzt könnte man fragen, wieso ich Samsara nicht selbst produziert habe, aber das ist auch wieder so ein Ding, wo ich leider auf Blockaden seitens meiner Mitstreiter gestoßen bin.

eclipsed: Die unvermeidliche Frage: Gibt es eine Chance, dass es irgendwann weitergeht mit Samsara Blues Experiment?

Peters: Kann ich nicht sagen. Ich verbinde Samsara halt doch irgendwie auch mit den Leuten, die mich da begleitet haben und auch mit den alten Songs, die mir genau wie der alte Sound im Moment leider ziemlich zum Hals raushängen. Ich kann mich da leider auch nicht verstellen. Das macht keinen Sinn, nur weil die Leute es schade finden und man sicher noch lange so weiter machen könnte. Ich denke, eine Auszeit ist gut für alle. Wie gesagt, es gibt mehr als genug andere gute Musik.

eclipsed: Berühmte letzte Worte?

Peters: Ich danke allen, die uns in den letzten Jahren unterstützt haben. Manche von euch sind fast wie liebe Bekannte geworden. Ich schätze, wer dieses Interview bis zu diesem Punkt gelesen hat, weiß eh Bescheid. Das Leben ist halt nicht immer gleichförmig. Im Moment passiert ja auch so viel Quatsch auf der Welt. Lasst euch nicht verrückt machen.

*** Interview: Bernd Sievers