JETHRO TULL - Ein halbes Jahrhundert „Aqualung“

19. Mai 2021

Jethro Tull Ian Anderson

JETHRO TULL - Ein halbes Jahrhundert „Aqualung“

Auf dem Album-Cover ein Obdachloser mit zotteligen Haaren im Bettlermantel. Seinen Titel erhielt „Aqualung“ von dessen rasselnden Atemgeräuschen, die sich wie eine Taucherlunge anhörten. Mit seiner musikalischen Klasse, die harten Rock, feinen Folk, romantische Klassik-Motive und jazzige Improvisation zusammenband, fand das Werk weltweit großen Anklang und gilt als Meilenstein in Jethro Tulls Bandgeschichte wie generell in der Rock- und Prog-Historie. Wir rollen mit Mastermind Ian Anderson und Gitarrist Martin Barre Geschichte und Bedeutung von „Aqualung“ auf.

Als „Aqualung“ am 19. März 1971 herauskam, war es ohne Zweifel ungewöhnlich. Neben der schonungslosen Diskussion sozialer Missstände nahm sich das als homogenes Konzeptalbum falsch verstandene Werk als ganz großes Thema Gott und Religion vor. Keine Frage, „Aqualung“ stand in dieser Hinsicht 1971 als wegweisendes Prog-Album allein auf weiter Flur. Frühere, aber auch im Verlauf des Jahres noch folgende Prog-Alben wie „Tarkus“, „Fragile“ und „Nursery Cryme“ ließen alle diesen schonungslosen Realismus vermissen und entwarfen vielmehr Fantasy-Welten.

Zwischen Hardrock und Folk auf dem Weg nach „ganz oben“ – mit Led Zeppelin in den Island Studios 

Nach ersten Aufnahmen in den Morgan Studios nahm man ab Dezember in den Island Studios in London auf. Anderson erinnert sich mit einem inneren Frösteln daran: „Es war ein wenig unheimlich in den damals neuen Island Studios, einer umgebauten alten Kirche. Das war menschlich kalt und in musikalischer Hinsicht unwirtlich. Vor allem aber hat es gar nicht gut geklungen, noch nicht einmal im Kontrollraum. Ich war deshalb sehr nervös, als es um das fertige Produkt ging. Denn ich hatte das Gefühl, dass wir an einem entscheidenden Punkt angelangt waren, an dem es auch ganz nach unten hätte gehen können. Glücklicherweise war es dann genau umgekehrt.“

Auf ihrem Weg nach ganz oben traf man in den Studios just auf die damals bereits großen Led Zeppelin, die an „Led Zeppelin IV“ werkelten. Martin Barre: „Als ich das Solo für ‚Aqualung‘ einspielte, sah ich, wie mir Jimmy Page wie wild vom Kontrollraum aus zuwinkte.“ (Prog Magazin, Februar 2021) Doch Barre blieb gelassen und zog sein feuriges Solo als Vollprofi durch. Er war auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich Jethro Tull von Folk und Blues weg und zu einer zunehmend härteren Rockband hin entwickelten. Doch „Aqualung“ bot zusätzlich einen ganz besonderen Mix auf. Anderson beschreibt es so: „Es war eine Mixtur aus härteren Rocksongs und akustischen, sehr persönlichen Singer-/Songwriter-Stücken. Das hat für eine große Dynamik gesorgt, von ganz laut zu ganz leise, von ganz kurz zu sehr lang. Es sollte ein vielschichtiges Album sein.“ 

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