Obwohl das offizielle Kapitel 2011 beendet wurde, hat Ian Anderson, 71, die Band sowohl live als auch mit neuen Veröffentlichungen als Jethro Tull’s Ian Anderson am Leben erhalten. Mit der Drei-CD-Box „50 For 50“ begehen er und das Label Warner ein halbes Jahrhundert Bandgeschichte. Machen wir uns nichts vor: Niemand weiß, ob in zehn Jahren Tull-Musik noch von einem der maßgeblichen Gruppenmitglieder – allen voran Anderson – gespielt werden wird. Daher sind die diesjährigen Feierlichkeiten der ideale Anlass, um mit dem Mann, der wie kein anderer für Jethro Tull steht, über sein Lebenswerk zu sprechen.
eclipsed: Jethro Tull feiern Fünfzigjähriges. Wie hast du die Tracks für die Jubiläumsbox „50 For 50“ ausgewählt?
Ian Anderson: Natürlich schränkt einen die Vorgabe mit fünfzig Songs, entsprechend fünfzig Jahren Bandgeschichte, ein. Viel mehr passt nun mal nicht auf drei CDs. Also kann man maximal drei, vier Stücke pro Album auswählen. Als Ausschlusskriterium galt, die stilistische Vielfalt zu bewahren, etwa Songs in gleicher Tonart, gleichem Tempo oder mit dem gleichen Thema abzugleichen. Deshalb ging es auch nicht um meine fünfzig persönlichen Favoriten, sondern um eine objektivere Auswahl aus der Sicht eines Plattenproduzenten. Natürlich sollte auch die Essenz der Studioalben widergespiegelt werden, die verschiedenen Phasen und Besetzungen. Beim Vergleich meiner persönlichen Liste mit der der Plattenfirma, abgestimmt mit Fans, waren die Unterschiede jedoch überraschend gering. Natürlich habe ich aus künstlerischen Gründen die Reihenfolge der Stücke angepasst und sie nicht einfach chronologisch angeordnet.
eclipsed: Das heißt aber, bestimmte Stücke sind unter den Tisch gefallen?
Anderson: Einige Tracks an die acht Minuten oder darüber konnten nicht berücksichtigt werden. Da ging es um pragmatische Lösungen. Auch einige der kleinen feinen akustischen Stücke etwa von „Aqualung“ oder „Minstrel In The Gallery“ kamen nicht drauf, denn es ging darum, Jethro Tull als Rockband mit allen sechsunddreißig Mitgliedern über die Jahre hinweg und nicht mich alleine abzubilden. Recht lange hat das alles aber nicht gedauert, da ich meinen kompletten Songkatalog sehr genau kenne.
eclipsed: Was hast du außerdem für das Jubiläum geplant?
Anderson: Nun, da muss ich zunächst die Jubiläumstour nennen, die bis Ende des Jahres quer durch Europa und die Staaten läuft. Bei manchen Konzerten, auf Festivals zum Beispiel, können wir allerdings nicht die ganze Multimediaproduktion mit Videoleinwänden mitnehmen. Wir können live auch keine fünfzig Songs spielen, also müssen wir da die Jethro-Tull-Story noch stärker komprimieren. Wir fokussieren uns auf die Periode, die die meisten Fans am besten kennen, sagen wir die ersten zehn Jahre. Da waren wir sicherlich am größten, obwohl wir auch Anfang der Achtziger noch viele Platten verkauft haben.
eclipsed: Der Stil von Jethro Tull hat sich oft verändert. Mal gabt ihr Blues, Folk, Hardrock, Prog, sogar Electronica oder Weltmusik den Vorzug. Welches ist deine Lieblingsperiode?
Anderson: Lieblingsperiode ist wohl nicht das richtige Wort. Das ist so, als ob du mich nach meiner Lieblingskatze fragen würdest. Das alles sind Produkte kreativer Arbeit. Ich habe vielleicht gute Erinnerungen an bestimmte Momente in den Siebzigern, an das klassische Line-up mit Martin Barre, John Evan, Jeffrey Hammond und Barriemore Barlow. Das war eine energetische Periode mit viel neuer kreativer Musik. Gerade Jeffrey Hammond und John Evan waren mir in Sachen Performance und Energie ebenbürtig, nicht so sehr Martin Barre. Und Barriemore Barlow war ein fantastischer Schlagzeuger. „Thick As A Brick“ zum Beispiel wäre auf der Bühne nicht so rübergekommen. Ende der Siebziger gab es dann zunehmend Spannungen in der Band.