Die lange erwartete sechste Folge der Marillion-Reissue-Reihe präsentiert jenes Album, das viele Anhänger als das beste Werk der Band sehen: „Fugazi“. Allerdings zeichnete sich gerade dieses 1984 erschienene Meisterwerk auch durch seinen wenig dynamischen, klirrend-kalten Sound aus, der zwar durch das Remaster in den 1990er Jahren etwas korrigiert wurde, aber immer noch nicht den starken Songs angemessen klang. Dies ist nun auf atemberaubende Weise korrigiert worden. Grund genug, um sowohl mit Frontmann Fish als auch mit Gitarrist Steve Rothery über „Fugazi“ zu sprechen.
Wir treffen einen leicht verspäteten, aber sofort gewohnt redseligen Fish im Zoom-Interview in seinem Wohnzimmer an. Er sei noch beim Friseur gewesen, so der Schotte, aber er legt dann gleich los, in der einen Hand eine Kaffeetasse, in der anderen eine Zigarette, aber trotzdem wild gestikulierend.
eclipsed: „Fugazi“ war das letzte Marillion-Album der Fish-Ära, das noch keinen Remix bekommen hatte. Man hat sich also das Beste bis zum Schluss aufgehoben. Zumindest denken ja viele Fans, dass „Fugazi“ euer Meisterwerk ist.
Fish: Unsinn! Da würde ich sofort widersprechen. Der Nachfolger „Misplaced Childhood“ war ein viel besseres Album, vor allem aber „Clutching At Straws“, das ja wirklich unsere beste Platte ist. „Fugazi“ ist schon sehr gut, aber da gibt es auch den einen oder anderen Song, der nicht so gelungen ist. Manchmal waren es einfach die falschen Ideen, die da verwirklicht wurden.
eclipsed: Zum Beispiel?
Fish: Nimm einfach mal „She Chameleon“, das ist eigentlich ein ziemlich guter, verstörender Song im Gothic-Gewand. Dieses beschwörende Keyboard, das war damals ziemlich originell, sehr düster und eindringlich. Und dann wird der Song von diesem fröhlichen Keyboard-Solo in der Mitte zwar nicht unbedingt ruiniert, aber doch erheblich geschwächt. Plötzlich ist die Atmosphäre weg. Und „Emerald Lies“ zeigt das Hauptproblem der Band auf, dass nämlich Marillion die meiste Zeit nur einzelne Fragmente komponierten und die dann aneinanderreihten. Bei diesem Song hört man das noch eindeutiger als sonst. Aber klar, die anderen Stücke sind ziemlich gelungen. Wer hat damals schon Sachen wie „Assassing“ oder „Punch And Judy“ geschrieben. Oder wie „Incubus“?
eclipsed: War diese Art zu komponieren speziell in Bezug auf „Fugazi“ für dich ein großes Problem, auch, weil ihr nicht so viel Zeit hattet? Ihr wart ja ständig auf Tour …
Fish: Das sind zwei unterschiedliche Aspekte. Zum einen wollte ich die Band immer dazu anhalten, eher mal richtige, strukturierte Songs zu schreiben. Das ist erst auf „Clutching At Straws“ geglückt. „Sugar Mice“ etwa, das ist ein richtig auskomponierter Song. Aber das war eben ihre Arbeitsweise, und sie ist es ja immer noch. Das ist okay für die Band, sie sind glücklich damit, aber mein Ding war und ist es nicht. Zum anderen war da der Stressfaktor, wobei man sagen muss, dass wir zwar immer wieder unterbrochen wurden durch die vielen Auftritte, aber wir waren schon viel im Studio. Ich hatte allerdings zahlreiche Texte schon vorher fertig, ich konnte aus meinem Repertoire schöpfen, es fehlte dann jedoch die Musik. Nun gut, es gab noch andere Arten der Ablenkung …