PAUL McCARTNEY AND WINGS - 50 Jahre „Band On The Run“

14. November 2023

Paul McCartney Wings The Beatles

PAUL McCARTNEY AND WINGS - 50 Jahre „Band On The Run“

Was hätte nach der Auflösung der größten Band der Welt ferner liegen können, als eine neue Band zu gründen? Während John Lennon, George Harrison und Ringo Starr in den 1970er-Jahren Solokarrieren einschlugen, erwies sich Paul McCartney als ewig Suchender. Ob er nach den vor allem ihn treffenden Streitigkeiten unter den Fab Four mit seiner neuen Gruppe tatsächlich seinen Seelenfrieden fand, erscheint fraglich. Dass er mit dieser seinerzeit oft verspotteten Formation vor allem dank des alles überstrahlenden Durchbruchalbums „Band On The Run“ wiederum Weltruhm erlangte, ist allerdings unbestritten. Zum 50. Geburtstag des Werks begibt sich eclipsed auf eine Reise in die oft idiosynkratische Welt der Wings.

Dass Paul McCartney nach dem Ende der Beatles 1973 mit dem Wings-Album „Band On The Run“ erneut ein Meilenstein der Popgeschichte gelingen würde, war durchaus nicht abzusehen. Zu lange war er mit halbfertigen Ideen und unausgegorenen Experimenten in Erscheinung getreten, hatte damit - sicherlich auch bewusst - sein Image des perfekten Popkomponisten untergraben und sich einer neuen Simplizität geöffnet, die nicht immer zu gelungenen Ergebnissen führte, teilweise aber richtiggehend radikal anmutete. Umso interessanter ist es, den Weg zu jenem Album zu verfolgen.

Eine ungewöhnlicher Neuanfang

Während John Lennon mit „Plastic Ono Band“ ein zwar minimalistisches, aber künstlerisch extrem ausdrucksstarkes und nicht zuletzt stringentes Solodebüt präsentierte (lässt man seine vorherigen Soundexperimente mit Yoko Ono mal außen vor), George Harrison seinen geballten Frust über die von ihm erfahrene künstlerische Missachtung in den Beatles-Jahren in sein Meisterwerk „All Things Must Pass“ kanalisierte und Ringo Starr mit eingängigen Popsongs (und „a little help from his friends“) zeitweise gar zum kommerziell erfolgreichsten Ex-Beatle avancierte, ging Paul McCartney einen radikalen Weg: Er veröffentlichte ein Album, das er im Alleingang zu Hause eingespielt hatte. Die meisten Songs auf „McCartney“ (1970) waren unfertige Skizzen, darunter Beatles-Überbleibsel wie das gleichwohl wunderschöne „Junk“. Das alles überstrahlende „Maybe I’m Amazed“, das er für seine Frau Linda schrieb, ist der einzige wirklich auskomponierte Song auf der Platte, und auch er versteckt sich hinter einer rohen, die neu gefundene Einfachheit betonenden Produktion. Seinerzeit wurde das Album verrissen, heute gilt es als Meisterwerk der Introspektion. 

Für sein zweites Soloalbum „Ram“ (1971), das ein ähnliches Schicksal früher Schmährufe und retrospektiver Anerkennung erlitt, tat sich Paul mit Linda zusammen, die allerdings mehr Inspiration als Mitmusikerin war. Tatsächlich erinnert das Album mitunter schon eher an späte Beatles-Veröffentlichungen, etwa mit der Suite „Uncle Albert/Admiral Halsey“, aber auch jene bald als Macca-Markenzeichen geltenden nicht ausgearbeiteten Entwürfe wie „Ram On“ sind auf diesem bunten, sehr inkohärenten Werk zuhauf vorhanden. Zum Coverartwork beider Platten gehören Fotos, die den Musiker auf seiner neuen Farm in Schottland zeigen, inmitten seiner Familie und seiner Tiere. Das Coverbild, auf dem er einen Widder bei den Hörnern packt, animierte John Lennon dazu, seinem im selben Jahr erschienenen Album „Imagine“ eine Postkarte beizulegen, auf der er seinerseits in ähnlicher Pose ein Schwein bei den Ohren fasst. Allein diese Anekdote gibt einen Hinweis auf den Status, den McCartney sich langsam in der Öffentlichkeit erarbeitete: ein zurückgezogener Farmer, der hin und wieder zwischen Kühe-Melken und Stall-Ausmisten ein paar halbgare Songs einspielte.

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