„Welcome back my friends to the show that never ends!“ lautete das Motto des Prog-Powertrios. Musikalischer Pomp voller Virtuosität, für die Ewigkeit gemacht und mit dem Anspruch, auch visuell ein Zeichen zu setzen, war sein Markenzeichen. ELP gehörten damit zu den federführenden Pionieren des Progressive Rock. Doch welche Rolle spielten sie speziell in den Jahren 1970 bis 1973 im Vergleich zu den anderen Genre-Begründern King Crimson, Genesis, Yes und den Artrockern von Pink Floyd? Zusammen mit Drummer Carl Palmer, dem letzten noch Lebenden der drei, unternehmen wir eine Reise durch 50 Jahre ELP-Geschichte, beleuchten die einzigartige Bedeutung dieser großen Band für die Rockmusik, lassen ihre wichtigsten Alben, Cover und besondere Tracks Revue passieren und beantworten die Frage, was in Zukunft noch von ELP zu erwarten ist. Vorhang auf …
ELP können nicht nur im Hinblick auf ihre musikalische Klasse als „Cream“ des Prog gelten: Ähnlich wie Jack Bruce, Eric Clapton und Ginger Baker Ende der 1960er-Jahre den aufkommenden British Blues mit ihrem „Heldenstatus“ aufmischten und mit ausufernden Improvisationen garnierten, wirkten Keith Emerson, Greg Lake und Carl Palmer Anfang der 70er bei der Etablierung des neuen Genres Progressive Rock mit und ließen dabei mehr als alle anderen ihre virtuosen Muskeln spielen. ELP galten als erste Prog-Supergroup: Im Dezember 1969 traf Keith Emerson, der eine neue Band gründen wollte, da er seine damalige Gruppe The Nice am Ende ihrer künstlerischen Entwicklung sah, im Fillmore East in San Francisco auf Greg Lake, der zu dieser Zeit noch bei King Crimson spielte. Auf der Suche nach einem Drummer überredeten sie ein paar Monate später Carl Palmer, die von ihm mitgegründete Band Atomic Rooster zu verlassen. Apropos Supergroup: Damals machte das Gerücht einer Erweiterung der Band um Jimi Hendrix die Runde. Carl Palmer räumt im Interview aber ein für alle Mal mit dieser Behauptung auf: „Das ist nie passiert. Jimi Hendrix kam niemals zu irgendeiner Probe. Das war komplett von der Presse erfunden, wohl weil sich mit seinem Anfangsbuchstaben das schöne Akronym HELP ergeben hätte.“ Damit bestätigt er eine Aussage Emersons, der seinerzeit zwar mit Hendrix getourt war, aber „genug von Gitarristen“ hatte (Loudersound.com, 31. Juli 2015).
Blaupause für die Zukunft des Prog
Pink Floyd und King Crimson hatten die Tür zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten im Rock weit aufgestoßen, Genesis und Yes brachten erst ab 1971 ihren Prog zur vollen Entfaltung. Noch knapp ein Jahr, bevor Keith Emerson am 11. März 2016 zum tragischen Opfer seines eigenen Perfektionismus wurde, als ihn seine Versagensangst angesichts der anstehenden Japan-Konzerte in den Suizid trieb, sah er ELP ganz klar als die eigentlichen Vorreiter des Prog: „Als ich bei The Nice war und dann mit ELP anfing, hatte noch niemand von ‚progressiver Musik‘ gehört. Was wir machten, waren etwas Jazz, ein bisschen Blues und die klassischen Bezüge. Erst später nannten die Leute unsere Musik ‚progressiv‘, und dann begann das Genre zu wachsen. Im Nachhinein würde ich jedoch sagen, dass ELP die Pioniere des Progressive Rock waren.“
Was macht rückblickend die Originalität von ELP im Vergleich zu den anderen Größen des Genres aus, worin liegt ihr eigentliches progressives Vermächtnis? Blicken wir auf die typischen Merkmale des Prog, erfüllen ELP als dessen Pioniere ohne Einschränkungen alle Kriterien: musikalische Komplexität, hymnische Elemente, lange Kompositionen und Instrumentalteile inklusive extensiver Soli, elektronische Instrumente, die tragende Rolle der Rhythmusgruppe, Konzeptalben, Einbindung von klassischer Musik, anspruchsvolle Texte und kunstvolle visuelle Umsetzungen. Palmer hebt hier allerdings zwei Dinge hervor – das extreme In-den-Mittelpunkt-Stellen der Keyboards und die exzessiven Adaptionen klassischer Musikstücke als Ausdruck englischer Musiktradition: „Wir haben immer gesagt, dass das, was uns von anderen Prog-Bands abhob, der Umstand war, dass wir von Keyboards mit jeweils immer der neuesten Technik angetrieben wurden: viele Synthesizer, und da auch die ganz großen Ungetüme statt vieler Gitarren. Damals war das große Moog-System nicht dafür gedacht, damit herumzutouren. Mike Vickers von Manfred Mann hatte den ersten großen Moog in London, danach kam Keith, und er nahm ihn mit auf die Bühne. Das brachte viele neue Sounds mit sich, die den Prog zu dem machten, was er heute ist. Der zweite Punkt war der, dass wir viele Klassik-Adaptionen einspielten etwa von Mussorgski, Strawinsky, Janáček usw. und deshalb keine typische Rockband nach amerikanischem Rhythm-’n’-Blues-Vorbild waren, sondern eine englische Band mit klassischen Wurzeln.“ Greg Lake erklärte die Besonderheit der Gruppe 2012 in einem Interview mit Vintagerock.com folgendermaßen: „Es gab sicherlich ähnliche Dinge, die als Vorlagen dienten. Da war Jimi Hendrix, den wir kannten, da waren Cream. Es war kein völlig einzigartiger Ansatz. Was war anders an ELP? Die meisten Bands in England ließen sich fast ausschließlich vom Blues und Soulmusik, Gospel und vielleicht ein bisschen Country inspirieren. Es war alles amerikanisch. Was wir bei King Crimson und später bei ELP machten, entsprang mehr unseren europäischen Wurzeln, und das hat uns wirklich anders klingen lassen.“